Unter den wunderschönen Landschaften Neuenglands scheint etwas Unheimliches zu lauern. Edgar Allan Poe, HP Lovecraft und Stephen King, diese amerikanischen Meister des Horrorgenres, sind dort geboren und aufgewachsen, wo sie auch ihre dunklen Schriften verfasst haben. Es ist kaum überraschend, dass eine Band wie 1476 aus der berüchtigten Stadt Salem in Massachusetts ein Album herausgebracht hat, das einen dunklen Weg einschlägt. Doch „In Exile“ erzählt keine Geschichten über Hexen, Ghule oder tentakelbewehrte Wesen, die aus der Tiefe auftauchen. Wir, die Menschen, sind es, die diesen Weg gehen. Auf „In Exile“ repräsentiert jedes Lied eine eigene Welt. Alles begann, als Sänger und Multiinstrumentalist Robb Kavjian über die uralte Frage nachdachte, wohin Menschen gehen, wenn sie sterben. In seinem Kopf begann er, sich reale Personen und imaginäre Charaktere als mystische Wesen oder Gottheiten vorzustellen. Diese Avatare dienten während Meditationen, bei denen Visualisierungstechniken zum Einsatz kamen, als spirituelle Führer in ihre persönlichen Welten. Dieses Konzept von individuellen Welten im Jenseits führte zu einem stilistisch recht abwechslungsreichen Album, was die Beschreibung des Sounds der Band nicht gerade erleichtert. „In Exile“ enthält Elemente aus Folk, Rock, Metal, Punk und auch eine gesunde Prise Post-Punk, was man frei als „abtrünnigen Okkultrock“ zusammenfassen kann. 1476 wurden von Robb Kavjian und dem Perkussionisten und Schlagzeuger Neil DeRosa in Salem, Massachusetts gegründet. Das „erste“ Album, das noch immer allerorts erwähnt wird, ist offiziell nicht mehr Teil der Diskographie, da das Kernduo „A Wolf’s Age“ (2009) einstellte. Damit wird „Wildwood“ (2012) die Rolle des offiziellen Debüts zugeschrieben. Das Album wurde im Untergrund mehrerer Szenen weit verbreitet. Das zweite Album in voller Länge war als Soundtrack für eine Ausstellung in Salem, MA konzipiert und trug den bezeichnenden Titel „Edgar Allan Poe: A Life of Hope & Despair“ (2014). Mit „Our Season Draws Near“ sind 1476 2017 zumindest in ihren Begriffen zu einem eher „konventionellen“ Ansatz zurückgekehrt. Was auch immer Künstler in Neuengland auf die dunkle Seite führt, hat auch 1476 berührt. Für alle, die ihre Musik außerhalb von Genregrenzen mögen und sich Dante schon immer als persönlichen Führer in die höllischen Tiefen gewünscht haben: „In Exile“ bietet strahlende Pfade in spannende Welten jenseits unserer Realität.